Was digitale Barrierefreiheit bedeutet und warum sie wichtig ist

Digitale Barrierefreiheit ist die Praxis, ein Produkt so zu gestalten, dass es von allen Menschen genutzt werden kann.

„Alle Menschen“ bedeutet nicht nur Menschen mit Behinderung wie visuellen, auditiven, sprachlichen, körperlichen, kognitiven oder neurologischen Einschränkungen. Der Begriff bezieht sich auch auf altersbedingte Einschränkungen, gesundheitliche Probleme oder vorübergehende Beeinträchtigungen. Jeder kann sich im Fitnessstudio verletzen und gezwungen sein, die Maus mit einer nicht dominanten Hand zu benutzen. Auch müde Augen nach einem langen Arbeitstag oder situationsbedingte Einschränkungen wie eine langsame Internetverbindung, wie sie in einigen Ländern häufig vorkommt, erfordern barrierefreie Lösungen.

So sagte Tim Berners-Lee, W3C Director und Erfinder des World Wide Web, einmal:

„Die Stärke des Internets liegt in seiner Universalität. Der Zugang für alle, unabhängig von Behinderungen, ist ein wesentlicher Aspekt.“

Die Anfänge von Open Source

In den späten 70ern war Richard Stallman Programmierer am MIT und implementierte eine kleine Lösung für einen Drucker, bei dem es oft zu Papierstau kam. Die Lösung war einfach: Wenn der Drucker blockiert war, wurde eine Nachricht an alle in der Warteschlange geschickt, und jemand konnte das Problem beheben.

Das System funktionierte gut. Als die Abteilung einen neuen Drucker erhielt, forderte Stallman den Quellcode für die Druckersoftware an, um die Lösung erneut zu implementieren. Doch weil der Drucker private, Closed-Source-Software verwendete, wurde der Zugriff auf den Code verweigert.

In den folgenden zehn Jahren wurde Computersoftware immer stärker privatisiert. Code, der lange Zeit weitergegeben wurde, war nun nicht mehr frei verfügbar. Quellcode wurde zur Ware.


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Standards und Leitlinien digitaler Barrierefreiheit

Um einen einheitlichen Standard für die digitale Barrierefreiheit zu schaffen, der den Bedürfnissen von Menschen weltweit gerecht wird, hat das World Wide Web Consortium (W3C) die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) aufgestellt.

Die WCAG wurden vor mehr als 20 Jahren ins Leben gerufen und beschreiben, wie Web-Inhalte für Menschen mit Behinderung zugänglich gemacht werden können. Die Richtlinien wurden in Zusammenarbeit mit Einzelpersonen und Organisationen aus aller Welt entwickelt. Häufig kommen sie auch als Standard für Gesetze und Vorschriften zur Barrierefreiheit zum Einsatz.

Darüber hinaus wurde auch eine ISO-Norm (ISO/IEC 40500:2012) als Leitprinzip und zur Verbreitung von Best Practices im Internet erstellt. Wenn es um Barrierefreiheit geht, sind kooperative Maßnahmen wie diese von entscheidender Bedeutung. Denn nur so können Interaktionen für Nutzer mit Behinderung überall nach bewährten Verfahren erstellt werden. Zudem sorgen die gemeinsamen Leitlinien dafür, dass Designer und Entwickler die korrekte Umsetzung erlernen können.

Auch einige Länder nehmen das Thema ernst und entwickeln immer erfolgreicher Vorschriften und Richtlinien, die sicherstellen, dass der digitale Raum gleiche Chancen für alle bietet. Die USA zum Beispiel haben den Americans with Disabilities Act (ADA) und die Sections 504/508 des Rehabilitation Act eingeführt.

Die Entwicklung der WCAG: Zum Stand der digitalen Barrierefreiheit

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2008 wurden die WCAG 2.0 veröffentlicht, mit Leitlinien zur Anpassung an die schnell anwachsende Welt der Technologie. Zehn Jahre später erschienen die WCAG 2.1, die neue Richtlinien mit einem stärkeren Fokus auf mobile Geräte enthalten.

Version 2.2 ist für September 2022 angekündigt und soll Aspekte wie die barrierefreie Authentifizierung und barrierefreies Dragging berücksichtigen.

Als die WCAG 2.1 veröffentlicht wurden, hat das World Wide Web Consortium auch das Projekt Silver herausgegeben (bekannt als WCAG 3.0), das Standards für neue Technologien wie das Internet der Dinge enthält. Dieses Dokument soll sicherzustellen, dass alle Menschen uneingeschränkten Zugang zu allen Angeboten des Internets haben – einschließlich neuester Technologien.

Warum sollten Sie sich um digitale Barrierefreiheit kümmern?

In den letzten Jahren erhielt das Thema digitale Barrierefreiheit immer mehr Aufmerksamkeit. Immer mehr Länder haben Gesetze und Vorschriften erlassen, die dafür sorgen, dass Applikationen für Menschen mit Behinderung zugänglich sind. Die Corona-Pandemie hat das Thema noch stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Heute ersetzen digitale Touchpoints mehr denn je traditionelle Ladengeschäfte und telefonischen Interaktionen mit Kunden, Mitarbeitern und Partnern. Sie ermöglichen es Unternehmen, bei der Bereitstellung neuer Produkte und Dienstleistungen effizienter und flexibler zu sein. Gleichzeitig erlauben sie Nutzern, ihre Bedürfnisse zu dem Zeitpunkt und an dem Ort zu erfüllen, der ihnen am besten passt.

Wenn Sie Applikationen erstellen, geben Sie Ihren Kunden Zugang zu digitalen Räumen und schaffen neue Möglichkeiten, zu kommunizieren und Informationen zu erhalten. Doch sobald Sie es Menschen schwer machen, diese Räume zu erreichen oder in ihnen zu interagieren, schränken Sie Ihr Potenzial wieder ein.

Ein barrierefreies digitales Produkt bringt einen positiven Return on Investment, der die Implementierungskosten weit übersteigt und dem Unternehmen zugute kommt.

So profitieren Sie zum Beispiel von mehr Website-Besuchern, weil Sie einen größeren Nutzerkreis erreichen (z. B. durch eine E-Commerce-Website oder eine Enterprise-Applikation), oder von einem höheren Online-Umsatz dank einer größeren Benutzerfreundlichkeit. Barrierefreie Apps machen die Nutzung für alle einfacher und benutzerfreundlicher. All dies gilt auch, wenn Sie nur eine App für Ihre Mitarbeiter erstellen.

Da Websites oder Applikationen entwickelt werden, um die mit den traditionellen Kommunikationskanälen verbundenen Kosten zu senken, etwa beim Kundendienst oder in der öffentlichen Verwaltung, spielt die Barrierefreiheit eine wichtige Rolle. Die Barrierefreiheit von Apps kann den Bedarf an Kundendienstmitarbeitern und Papierinteraktionen weiter verringern.

Aber das ist noch nicht alles. Barrierefreie Apps verbessern auch Ihre Suchmaschinenoptimierung (SEO). Zudem sorgen sie für ein positives Markenimage Ihres Unternehmens in einer Zeit, in der die unternehmerische Sozialverantwortung wichtiger ist denn je.

Wann sollten Sie Barrierefreiheit umsetzen?

Sie sollten Barrierefreiheit von Anfang an mit berücksichtigen.

Von einem barrierefreien Internet profitieren verschiedene Arten von Nutzern. In der digitalen Welt von heute ist es wichtig, das Nutzererlebnis in den Mittelpunkt zu stellen. UX ist zu einem globalen Buzzwort geworden und UX-Designer werden endlich in die „User-First“-Diskussion einbezogen. Im Zuge dessen sind die Bedürfnisse und Anforderungen, Fähigkeiten, Vorlieben und Situationen aller Nutzer im Auge zu behalten.

Deshalb sollten Sie Ihren Nutzern alle Arten von Unterstützung zur Verfügung stellen. Dazu zählen z. B. Sprachausgabe (oder andere unterstützende Technologien) und Tastaturnavigationshilfe. Das Ziel ist es, nahtlose digitale Interaktionen zwischen Menschen, Produkten, Informationen und Unterhaltung ohne Einschränkungen oder Barrieren zu ermöglichen. Am besten kümmern Sie sich gleich zu Beginn eines Projekts darum, um die Kosten späterer Anpassungen zu minimieren.

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Mehr darüber, wie Sie barrierefreie und universelle Apps entwickeln, die den höchsten Standards und Richtlinien entsprechen, erfahren Sie in unserem Tech Talk How to Speed Up Development of Accessible Apps.