Globalisierung, Digitalisierung, agile Transformation – gefühlt braucht es ständig neue Hype-Themen, um die Mühlen von Innovation und Marketing am Laufen zu halten. Auch Low-Code, von dem ich in den letzten Jahren zunehmend gelesen habe, erschien mir zunächst als eines dieser Themen: In meiner naiven Vorstellung verbarg sich dahinter bis dato „Clicky-Clicky-Code für Dummies“ und nichts für „echte Fullstack Developer“. Ich wollte es genau wissen und Low-Code selbst auf Herz und Nieren testen, also unterzog ich die OutSystems-Plattform einem Selbsttest.

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Back to Code

Wenn ich heute nach Umwegen über Projektmanagement, Consulting, Agile Training und Coaching wieder den Weg zurück zum Code (ver)suche, stelle ich fest, dass die Welt wesentlich komplexer geworden ist: Es reicht längst nicht mehr aus, die ein oder andere Programmiersprache zu beherrschen. Das Wissen zu Frameworks, Tools, Methoden und Architekturen ist viel wichtiger geworden und die Lernaufwände sind entsprechend gestiegen.

Im Management kommt die Low-Code-Technologie daher freilich gut an, verspricht sie doch schnellere Entwicklungsprozesse, geringere Kosten und eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen IT und Fachabteilungen. Laut Gartner sollen bis zum Jahr 2025 über 70 Prozent der Applikationen in Low-Code realisiert werden. Ist es also vielleicht doch einmal an der Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?

Eines der bekanntesten Unternehmen im Bereich Low-Code-Entwicklung ist OutSystems und wird nicht nur von Gartner, sondern auch von Forrester als „Leader“ auf diesem Gebiet genannt. Hinzu kommt, dass es die Low-Code Plattform dieses Herstellers schon seit 20 Jahren gibt – da darf man mehr als ein Spielzeug und einiges an Evolution, Reife und Funktionsumfang erwarten. Ich bin gespannt, was einem IT-Veteran wie mir mit einer Low-Code Plattform gelingen kann.

Das Online-Kursmaterial verspricht, dass man in nur 20 Kurseinheiten mit einer Gesamtdauer von elf Stunden bereits die Reife zum „Reactive Web Developer“ – dem Einstieg in die Welt von OutSystems – erwerben kann. Die einfachen Übungsaufgaben sind gut zu bewältigen: Mit dem Visual-Studio kann man in den drei Tiers Daten, Logik und UI seine Applikation grafisch unterstützt modellieren, programmieren, kompilieren und auf den entsprechenden Instanzen einer AWS-Cloud-Umgebung bereitstellen. Es ist unglaublich faszinierend, wie einfach und schnell das funktioniert. Es braucht kein DevOps-Team, um Umgebungen aufzubauen und zu administrieren – man hat alles selbst in der Hand. Schließlich wage ich mich auch an die Zertifizierung: Sie ist schon nicht mehr so trivial, aber durchaus machbar.

Das erste eigene Projekt

Als zertifizierter „Reactive Web Developer“ bin ich nun mit den Fähigkeiten ausgestattet, meine erste eigene App mittels der OutSystems-Plattform zu entwickeln. Weil mir spontan nichts Besseres einfällt, baue ich zur Übung mein eigenes Covid-Portal, nutze REST-Services mit Daten des RKI und bereite grafisch auf, was mich interessiert.

Im Praxiseinsatz zeigt sich auch, dass die Furcht, sich als Entwickler mit Low-Code in eine proprietäre Nische zu begeben, nicht nur aufgrund des prognostizierten Marktanteils unbegründet ist: OutSystems nutzt an vielen Stellen bekannte Standards, wie die zugrundeliegende AWS-Infrastruktur, CI/CD-Pipelines mit Jenkins oder Azure DevOps sowie Konnektoren zu über 400 gängigen Systemen. Zudem gibt es die Option, eigenen C#- oder JavaScript-Code zu integrieren.

Bereits nach wenigen Stunden steht die erste Version meiner Anwendung und ist mobil auf dem Smartphone nutzbar. In der Retrospektive wäre es wohl noch schneller gegangen, hätte ich mir dazu dieses hilfreiche HowTo meines Kollegen Kevin Busch zu Hilfe genommen – so einfach geht das.

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Ohne Profi-Entwickler geht es nicht

Bei aller Einfachheit und Schnelligkeit zeigte mein Selbstversuch aber auch deutlich, dass Low-Code letztlich nicht gänzlich ohne das entsprechende Know-how funktioniert – der Versuch den Funktionsumfang zu erweitern, zeigte deutliche Mängel in meinem Architekturdesign auf. Rückblickend hätte ich mir vorab eine ganze Menge mehr Gedanken machen müssen, denn es werden weiterhin viele Aspekte der Handwerkskunst eines Fullstack-Entwicklers dringend benötigt: fundiertes Verständnis von mehrschichtiger IT-Architektur, Datenmodellierung, Konnektoren, CI/CD oder Domain Driven Design. Insbesondere wenn es um eine Applikationslandschaft in einem Enterprise-Umfeld geht. Werkzeuge zur Analyse von Abhängigkeiten oder technischen Schulden entfalten ihr Potential erst in der Hand eines Profi-Entwicklers.

Mehr Effizienz für Profi-Entwickler

Angesichts steigender Komplexität auf der einen und einer immer kleiner werdenden Elite, die diese beherrscht, auf der anderen Seite, kommen Unternehmen nicht umhin, sich die Frage zu stellen, wer die vielen Applikationen der Zukunft entwickeln soll. An diesem Punkt kann die Low-Code-Entwicklung durchaus Abhilfe schaffen: Sie eröffnet ambitionierten Quereinsteigern die Perspektive, Teil eines Entwicklerteams werden zu können und darin zu wachsen.

Dennoch macht Low-Code Laien nicht automatisch zu Profi-Developern. Vielmehr ermöglicht die Technologie dem Profi ein effizientes und autarkes Arbeiten, indem er alle Aspekte seines Projekts in den eigenen Händen hat und damit schneller Ergebnisse erzielen kann. Letztlich lebt ein gutes Team aber immer vom richtigen Mix. Die bisherigen Erfahrungen der pica GmbH zeigen jedenfalls, dass auch gestandene High-Code-Entwickler durchaus begeistert von den Möglichkeiten einer Low-Code Plattform sein können.